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Arbeitszeitreport 2024: Reiche reduzieren ihre Arbeitszeit am stärksten

Jakob Sturn
04. Juli 2024
Arbeitszeitreport 2024: Reiche reduzieren ihre Arbeitszeit am stärksten

Die Arbeitszeit ist zurück in der politischen Debatte. Der Arbeitszeitreport 2024 liefert detaillierte Einblicke in die aktuellen Arbeitszeittrends und legt dabei einen besonderen Schwerpunkt auf die Bedeutung der Einkommensungleichheit für die Arbeitszeit. Außerdem stehen geschlechts- und altersspezifische Unterschiede bei der Arbeitszeit im Fokus.

Download Arbeitszeitreport 2024

Arbeitszeitreduktion nur für Besserverdienende

Die Bedeutung der Einkommensverteilung auf die Arbeitszeit ist in der arbeitsmarktpolitischen Debatte bislang unterrepräsentiert. Dabei ist die Perspektive der Verteilung zentral. Die Untersuchung zeigt, dass eine Verkürzung der Arbeitszeit bislang hauptsächlich Besserverdienenden vorbehalten waren. Mit einer Reduktion von fast 3 Wochenstunden (rund 7 Prozent) in 9 Jahren haben Beschäftigte im reichsten Einkommenszehntel seit 2014 ihre Arbeitszeit am stärksten reduziert. Der durchschnittliche Rückgang betrug hingegen nur 54 Minuten bzw. 2,5 Prozent. In den ärmeren Einkommenszehnteln viel die Reduktion weitaus geringer aus. Im zweiten und vierten Zehntel deuten die Ergebnisse sogar auf eine Verlängerung der durchschnittlichen Arbeitszeit hin. Aktuell zur Debatte stehende Bestrebungen für politische Interventionen für eine Verlängerung der Arbeitszeit könnten damit ihr Ziel verfehlen. Untere Einkommenszehntel wollen bereits mehr arbeiten, können es aber vielfach aufgrund fehlender Rahmenbedingungen nicht. Dazu zählt etwa ein flächendeckendes, kostengünstiges Kinderbetreuungsangebot, das mit einer Vollzeitstelle vereinbar ist.

Geschlechtsspezifische Unterschiede

Ein weiteres zentrales Thema des Berichts ist die ungleiche Verteilung der Arbeitszeit zwischen den Geschlechtern. Frauen arbeiten viermal häufiger in Teilzeit als Männer, hauptsächlich aufgrund der ungleichen Verteilung der unbezahlten Care-Arbeit. Bei Frauen dominiert die Betreuung von Kindern und Älteren als häufigster Grund für eine Teilzeitstelle. 4 von 10 Frauen in Teilzeit geben das als Grund an. Bei Männern hingegen ist die Ausbildung der häufigste Grund für eine Teilzeitstelle. 27 Prozent der Männer in Teilzeit geben das als Grund an.

Mütter reduzieren ihre Erwerbsarbeitszeit im Vergleich zu kinderlosen Frauen deutlich, während Männer ihre Arbeitszeit durch die Geburt eines Kindes nicht verringern, sondern sogar eher erhöhen. Diese ungleiche Verteilung der Care-Arbeit führt zu wirtschaftlichen Nachteilen für Frauen, die sich in geringeren Einkommen und später in niedrigeren Pensionen niederschlagen.

Altersspezifische Arbeitszeitunterschiede

Auch das Alter spielt eine wichtige Rolle bei der Verteilung der Arbeitszeit. Junge Menschen arbeiten häufig aufgrund ihrer Ausbildung in Teilzeit. Zwischen 30 und 45 Jahren sind Betreuungspflichten der Hauptgrund für Teilzeitarbeit, während ältere Arbeitnehmer:innen ab 50 Jahren vorwiegend freiwillig in Teilzeit arbeiten. Diese Altersunterschiede verdeutlichen die unterschiedlichen Lebensumstände und Prioritäten, die die Arbeitszeit beeinflussen.

Branchenabhängige Unterschiede

Die Analyse zeigt auch deutliche Unterschiede zwischen den Branchen. In der Transportbranche, im Baugewerbe und in der Industrie sind die durchschnittlichen Arbeitszeiten am höchsten. Dagegen arbeiten Beschäftigte in Dienstleistungsbranchen und im Gesundheitssektor weniger Stunden pro Woche. Branchen mit den höchsten Arbeitszeiten auch diejenigen mit einer unterdurchschnittlichen Frauenquote, während Branchen mit geringerer Arbeitszeit überdurchschnittlich viele Frauen beschäftigen.

Handlungsempfehlungen

  1. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich: Eine allgemeine Verkürzung der Arbeitszeit sollte bei vollem Lohnausgleich erfolgen, um die finanzielle Situation der Arbeitnehmer:innen, insbesondere in den unteren Einkommenszehnteln, zu verbessern.
  2. Ausbau der Kinderbetreuungsangebote: Ein flächendeckender Ausbau der Betreuungsinfrastruktur für Kinder ist notwendig, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern.
  3. Höhere Bewertung von Care-Zeiten bei der Pensionsberechnung: Zeiten, die für Kinderbetreuung und Pflege aufgewendet werden, sollten stärker in die Berechnung der Renten einfließen, um Altersarmut bei Frauen zu verhindern.
  4. Anreize für Väter zur Übernahme von Care-Arbeit: Durch verpflichtende Väterkarenzen und finanzielle Anreize soll die Beteiligung von Männern an der unbezahlten Care-Arbeit erhöht werden.

 

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