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Oma an die Arbeit!

Barbara Blaha
07. August 2024
Oma an die Arbeit!

Ein kurzer Blick auf die Spielplätze unter der Woche reicht – und der Eindruck bestätigt die Statistik: Nur zehn Prozent der Papas gehen in Österreich bis zu drei Monate in Elternkarenz. Nur ein Prozent länger als sechs. Und bei der Großeltern-Karenz wird das nicht anders sein.

Nur jeder hundertste Vater geht nennenswert in Babykarenz. Wenn die Papas kaum in Karenz gehen, warum sollten es dann die berufstätigen Opas tun? Die ÖVP bewirbt im Wahlkampf (schon wieder) die Großelternkarenz, aber wir sollten realistischerweise von einer Omakarenz reden. Die Omis sollen kompensieren, was der Staat nicht an öffentlicher Kinderbetreuung zur Verfügung stellt.

Die Frauen richten das, was die (fehlende) öffentliche Infrastruktur an Lücken reißt. Das kennen wir ja. Längere Karenz, mehr Teilzeit, weil Kinder betreut oder Angehörige gepflegt werden müssen. Die Mamas und die Omas verlieren Unsummen an Einkommen und Pensionen, weil die Pflege und die Betreuung im privaten Bereich fast immer an ihnen hängen bleiben: Zehn Jahre Teilzeit sind auf ein Erwerbsleben gerechnet im Schnitt 200.000 Euro weniger Einkommen und Pension.

Moralisch werden aber viele Frauen dazu genötigt: Irgendwer muss sich ja um die Kinder und pflegebedürftigen Eltern kümmern. Man kann sie ja nicht ins Heim bringen. Und der Kindergarten sperrt zu Mittag zu. Dieser Mangel ist hausgemacht und politisch gewollt. Und ausbaden muss es die Frau. Sie verliert mit einer klassischen Teilzeit-Biografie (zwei Kinder) 500 Euro Pension pro Monat. Also etwa ein Drittel der österreichischen Durchschnittspension.

Kommen dann als Oma noch einmal einige Jahre mit Karenz und Teilzeit dazu, landet die Frau bei 750 Euro Pensionsverlust – also bei der Hälfte der Durchschnittspension. Die Omakarenz ist zynisch – weil genau die, die das jetzt als Lösung vorschlagen, jahrzehntelang das Problem gebastelt haben: Die ÖVP hat panisch “Bundesländer aufgehetzt”, um einen Ausbau von Krippen und Kindergärten zu verhindern.

Konservative Ideologie, die Mütter doppelt bestraft: Zuerst verlieren sie Einkommens- und Pensionsjahre bei den eigenen Kindern. Das wirft sie im Job zurück, sie verdienen ihr Leben lang weniger. Und wenn es nach der ÖVP geht, stehen sie ein paar Jahre später wieder vor der Frage: Geht die Oma in Karenz, die eh schlecht verdient? Der Opa, der gut verdient? Oder der Sohn und Vater des Babys, der noch keine Unterbrechung in der Erwerbsbiografie hat? Die Familie wird sich im Kollektiv wahrscheinlich für die Omakarenz entscheiden – und die Oma individuell ihre finanzielle Unabhängigkeit in der Pension komplett aufgeben.

Wo hat die ÖVP die Idee für diese Stereo-Watsche für Frauen her? Aus Ungarn. Und wenn man sich die anderen familienpolitischen Ideen der Orbán-Regierung so anschaut, dann schaudert einen beim Gedanken daran, was die ÖVP als Nächstes vorschlagen wird: Ungarische Frauen bekommen bei der Geburt des ersten Kindes einen 30.000 Euro-Kredit. Beim zweiten Kind wird ihr ein Drittel des Kredites geschenkt und wenn sie ein drittes bekommt, muss sie keinen Cent von den 30.000 Euro zurückzahlen. Wer mehr als vier Kinder auf die Welt bringt, wird überhaupt lebenslang von der Einkommenssteuer befreit. Orbán propagiert öffentlich das Kinderkriegen als Maßnahme gegen Einwanderung und zu viele „ausländische“ Kinder. Besonders gerne vor internationalen Gästen.

So eine Wurfprämie fordert die ÖVP wenigstens noch nicht. Noch – der Wahlkampf dauert ja noch eine Weile. Aber die Omakarenz, die trommelt sie jetzt schon zum wiederholten Male – und natürlich gäbe es bessere Lösungen, um die Lücke in der Kinderbetreuung zu schließen. Erstens eine verpflichtende Väterkarenz, also eine Karenz, in der sich die Eltern die Zeiten fair aufteilen müssen, um alle Monate auszuschöpfen. Wenn man nicht nach Ungarn schielt, sondern nach Skandinavien, dann sieht man, dass das klappt: Der Gender Pay Gap ist dort geringer, ein Papa in Karenz ist Normalität und nicht die Ausnahme.

Zweitens muss der Ausbau der öffentlichen Kinderbetreuung allerhöchste Priorität haben. Nur einer von vier Kindergartenplätzen in Österreich ist mit einem Vollzeitjob vereinbar. Die Kinderbetreuung muss ab dem ersten Geburtstag garantiert sein, damit die Mamas und Papas wirklich Wahlfreiheit haben. Österreich scheitert aber sogar an den ohnehin moderaten EU-Zielen zur Betreuungsquote der Unter-Dreijährigen. Drittens: Die geringen Löhne in Branchen, in denen hauptsächlich Frauen arbeiten, sind eine Autobahn in Richtung ungleiche Aufteilung der Karenz. Wie oft hört man: “Er verdient halt mehr”?

Das sind die großen Baustellen, die wir angehen müssten. Statt den Omas ein Modell hinzulegen, das sich nach einer Win-Win-Situation für alle anhört… aber am Ende eine große Verliererin kennt: die Oma eben. Deshalb sollten die Frauen in die Zukunft schauen, die sich heute über den Vorschlag freuen. Und daran denken, dass sie morgen selbst Oma sein könnten – und unter Druck, “für die Familie” in ein finanzielles Fiasko marschieren.

 

Dieser Text erschien zunächst als Kolumne im Profil.

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